Die Waffen einer Frau

Während Jahrhunderten waren Waffen ausschliesslich in Männerhand. So mussten sich die ersten Frauen, die sich in dieser Männerdomäne behaupten wollten, ihren Platz darin hart erkämpfen. Die gelernte Büchsenmacherin Ines Kessler erklärt, wie sich das auf die letzte Waffenrechtsabstimmung ausgewirkt hat und mit welchen Vorurteilen sie selber zu kämpfen hatte.

Kolumne Recht direkt von Ines Kessler

Als ich vor 7 Jahren meine Lehre als Büchsenmacherin angefangen habe, freute ich mich, ein traditionelles Handwerk zu erlernen, welches sich mit dem Gleichgewicht von Ballistik, Material und dem Menschen mit seinen unterschiedlich gegebenen mentalen und körperlichen Eigenschaften hinter der Waffe beschäftigt. Nebst der «Faszination Technik» kamen immer mehr Faktoren wie die Entwicklung und Geschichte sowie das Schiessen an sich hinzu. Zusätzlich stieg mein Bewusstsein für Öffentlichkeitsarbeit. Ob ich nun wollte oder nicht: Meine Berufswahl polarisiert. Nicht selten führt es zu einer breiten Diskussion über Politik, Recht, Ethik und meiner Position dazwischen als Frau.

Unsichtbare Frauen
Während meiner Lehrzeit stellte ich vermehrt fest, dass Frauen mit ihrem Interesse und Talent in Bezug auf Technik oder Waffen unsichtbar bleiben. Es fehlte lange eine sichtbare Peer-Group, mit welcher sie sich identifizieren und bestärken konnten. Der Trend scheint sich offensichtlich zu wandeln. Wer auf Social Media aktiv ist, stellt fest, dass Frauen ihre neusten Erfolge in Hobby und Beruf begeistert aufzeigen und sich gegenseitig darin bestärken. Dies gilt genauso für Schiess-, Sammler- oder Handwerkstätigkeiten. Förderprojekte für Frauen in technischen Berufsschulen werden mehr genutzt und stärken das Selbstbewusstsein junger Frauen bei ihrer Berufswahl. Zwar sind Frauen immer noch in der Minderheit bei technischen Berufen, jedoch ist ein Wandel spürbar.

Waffen waren Männersache
Mir liegt die Förderung von «Frauen und Technik» persönlich sehr am Herzen, weswegen ich mich vermehrt für solche Projekte oder an der Berufsmesse engagiere. Ich kenne die Problematik selbst gut: Als junge Frau verlor ich bei der Berufswahl schnell den Mut, eine Mechanikerin zu werden. Zu oft wurde mir beim Schnuppern ungefragt geholfen oder Werkzeuge aus der Hand genommen. Ich entschied mich für einen Weg, mit welchem ich nicht glücklich wurde. Erst im Alter von 24 Jahren konnte mich mein Umfeld für mein ursprüngliches Interesse bestärken. Ich blühte während meiner Lehrzeit stark auf und wurde zufriedener. Was hat dies nun alles mit dem Waffenrecht oder dem Schützenwesen zu tun? In vorhergehenden Generationen wurden Waffen oftmals schon vorab zur «Männersache» erklärt. Noch in den 1970er Jahren war beispielsweise auf den Kranzkarten die Anrede «Herr» vorgedruckt und musste für erfolgreiche Schützinnen von Hand angepasst werden. Dies führte zu einem Ungleichgewicht. Vielen Frauen waren Waffen auch sonst gesellschaftlich vorenthalten und es führte vermehrt zu Unsicherheit und Ablehnung. Dies hält sich auch noch bis heute und die Ablehnung der Frauen war auch bei der letzten Waffenrechtsabstimmung erkennbar.

Erfolgreiche Schützinnen
Heute ist die verstärkte Präsenz erfolgreicher Schützinnen deutlich angestiegen. Man denke beispielsweise an unsere erfolgreichen Landesvertreterinnen bei Olympia oder an den IPSC-Weltmeisterschaften. Diese Schützinnen sind Vorbilder für junge Menschen und bestärken insbesondere Frauen. Sie geben dem Sport ein Gesicht und bauen eine Brücke zu jenen, welche sich ansonsten blind auf Vorurteile festfahren. Mein persönlicher Weg wäre vielleicht einfacher oder zumindest anders gewesen, wenn ich bei der Berufswahl oder auch beim Hobby ein Vorbild gehabt hätte. Ich hatte die Möglichkeit, mich nochmals neu zu orientieren – doch diese Möglichkeit haben nicht alle. Daher ist es umso wichtiger, dass die Wahl des Lehrberufes oder des Studiums dem eigenen Interesse und Talent entspricht, und nicht von Rollenbildern oder Vorurteilen beeinflusst wird. Wir sollten uns alle vermehrt Gedanken machen, wie wir sichtbare Vorbilder für die nachfolgende Generation sein können und müssen dieser auch Sorge tragen, damit wir nicht irgendwann komplett in der Versenkung verschwunden sind. Nun ist es an mir – und an uns allen – selbst ein Vorbild zu sein für die nächste Generation. Vermitteln wir allen Lernenden, dass ihr Interesse an Technik oder Präzision legitim ist und dass ihr Geschlecht keinen Einfluss auf die Qualität ihrer Arbeit hat.

Ines Kessler (31) ist gelernte Büchsenmacherin EFZ und Dipl. Betriebswirtschafterin HF. Zuvor erlangte Sie die Maturität, absolvierte Militärdienst und studierte zwei Semester Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg. 2020 übernahm sie die Geschäftsleitung der Kessler Auktionen AG von ihrem Vater. In ihrer Freizeit ist sie entweder mit dem Boot auf dem See, an ihren Musikinstrumenten oder im Schützenstand anzutreffen..