Gute Absichten verhindern keine Gewalt an Frauen

SP-Nationalrätin Tamara Funiciello fordert im Parlament eine genauere statistische Erfassung von «Femiziden». Ihr Vorstoss ist ein Anschauungsbeispiel dafür, dass gute Absichten allein nichts bewirken.

SP-Nationalrätin Tamara Funiciello hat einen parlamentarischen Vorstoss zur präziseren statistischen Erfassung von «Femiziden» eingereicht. «In der Schweiz ist jede Kuh registriert», erklärte sie 20 Minuten, «aber wir wissen nicht, wie viele Femizide wir haben. Um ein Problem bekämpfen zu können, muss man es zuerst benennen können.» Wie die Gratiszeitung anfügte, «unterscheidet Funiciello dabei zwischen ‘intimen Femiziden’, wo es ein intimes Verhältnis zwischen Opfer und Täter gibt oder gab, und ‘nicht-intimen Femiziden’, bei denen Frauenhass ohne zwischenmenschliche Beziehung zu Gewalt führt».

Es gibt keinen Grund zur Annahme, Funiciellos Vorstoss sei nicht der guten Absicht entsprungen, zur Bekämpfung von (tödlicher) Gewalt gegen Frauen beizutragen. Doch gute Absichten sind kein Ersatz für Evidenz und Konsistenz. Aus den folgenden drei Gründen ist von vornherein ausgeschlossen, dass ihr Vorstoss das intendierte Ziel erreicht:

  1. Funiciellos Ziel ist die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Anstrengungen zur (genaueren) statistischen Erfassung des Motivs für diese Gewalt lohnen sich deswegen nur dann, wenn es möglich ist, durch Präventionsarbeit die Motive von potentiellen oder tatsächlichen Verübern von gegen Frauen gerichtete Gewalt so zu beeinflussen, dass ihre Disposition zur Gewalttätigkeit gegen Frauen signifikant sinkt. Genau diese Möglichkeit existiert nach dem aktuellen Stand der Forschung aber nicht (vgl. hier, S. 2.).
  2. (Tat-)motive sind intentionale Zustände. Dass sich intentionale Zustände sinnvoll erfassen lassen, ist höchst zweifelhaft. 
  3. Der Begriff «intimer Femizid» ist ein Widerspruch in sich, der Begriff «nicht-intimer Femizid» ein unnützer Pleonasmus. Femizide sind vorsätzliche Tötungen von Frauen aufgrund von Hass auf Frauen als Gruppe. Femizide sind selten, und sie sind — weil der Hass eben einer Gruppe von Personen gilt — oft Massenmorde an Zufallsopfern. Tötungen von Intimpartnern werden hingegen als «Intimizid» bezeichnet. Die Opfer von Intimiziden sterben, weil sie einen gegenwärtigen oder ehemaligen Sexual-, Beziehungs- oder Ehepartner in dessen Augen verletzt, gedemütigt oder entehrt haben; das Tatmotiv ist Hass auf eine einzige, spezifische Person. Das heisst: Die von Funiciello vorgeschlagenen Femizid-Unterkategorien würden zu weniger Genauigkeit führen, nicht zu mehr.

Vor diesem Hintergrund ist leider klar, dass der Verbrauch von Ressourcen — die für wirksam(er)e Massnahmen zum Schutz von Frauen eingesetzt hätten werden können — das einzige ist, was Funiciello mit diesem Vorstoss erreichen wird. Schade!