Herbstsession: piusicur-Unterstützer reichen zwei Interpellationen ein

Eine gewaltlose Gesellschaft ist und bleibt eine Utopie. Dass wir Gewalt nicht «abschaffen» können, heisst aber nicht, dass wir der besorgniserregenden Zunahme von Gewaltstraftaten einfach ausgeliefert sind. Eine Trendwende ist möglich – aber sie muss mit dem nötigen Engagement und der nötigen Klugheit in die Wege geleitet werden. Genau mit dieser Tatsache im Hinterkopf haben unsere Unterstützer im Parlament in der vergangenen Herbstsession gehandelt. Sie haben zwei Vorstösse eingereicht, von denen wesentliche Impulse zu einer besseren Gewaltbekämpfung erwartet werden dürfen. Der eine dieser Vorstösse betrifft die Bestrafung von Sexualverbrechern, der andere dreht sich um das Thema Gewalt mit Waffen.

Vergewaltiger härter bestrafen: Nationalrätin Nadja Umbricht Pieren fordert Klarheit vom Bundesrat

In einer Interpellation verlangte Nationalrätin Umbricht Pieren vom Bundesrat, bezüglich Mindeststrafen für Vergewaltiger klar Stellung zu beziehen. Vergewaltiger werden in der Schweiz mit Samthandschuhen angefasst. Derzeit liegt die Mindeststrafe für eine Vergewaltigung bei einem (einzigen, lächerlichen) Jahr Freiheitsstrafe. Aus diesem Grund sind vollbedingte Freiheitsstrafen für Vergewaltiger alles andere als eine Ausnahme (etwa ein Viertel der verurteilten Täter kommt in ihren Genuss), und sogar bedingte Geldstrafen werden verhängt (in etwa einem Prozent der Fälle). Solche Placebo-Sanktionen sind nicht nur aus moralischer Sicht stossend, sondern besitzen offensichtlich auch nicht den geringsten Abschreckungseffekt. 

In den vergangenen drei Jahren äusserten sich National-, Stände- und Bundesrat in jeweils unterschiedlicher Ansicht betreffend eine Erhöhung der Mindeststrafe für Vergewaltigung. Der Nationalrat will sie, der Ständerat nicht, der Bundesrat widerspricht sich selbst. Konkret schrieb der Bundesrat 2018 in seiner Botschaft ans Parlament, die Mindeststrafe sei auf zwei Jahre anzuheben, um «dem erhöhten Unrechtsgehalt einer Vergewaltigung» besser Rechnung zu tragen. Gleichzeitig wies er die Gerichte aber explizit auf die Möglichkeit von teilbedingten Strafen hin – obwohl diese nur für Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren möglich sind, die Höchststrafe für eine Vergewaltigung aber bei zehn Jahren liegt. 

Die Interpellation fordert den Bundesrat auf, eindeutig zu erklären, was der Sinn und Zweck seines Hinweises auf die Möglichkeit teilbedingter Strafen für Vergewaltiger ist. Der Bundesrat soll Farbe bekennen: Will er das schwere Unrecht, das Vergewaltiger ihren Opfern zufügen, härter bestraft sehen, oder will er es nicht? Will er, dass die Gerichte bei Vergewaltigern tendenziell von einem leichten Verschulden ausgehen, oder will er es nicht? Mit ihrem Vorstoss will Nationalrätin Umbricht Pieren auch verhindern, dass sich je ein Gericht die Widersprüchlichkeit der Haltung des Bundesrates zunutze machen kann, wenn es ein mildes Urteil gegen einen Vergewaltiger verhängt.

Waffengesetz und Sicherheit: Ständerat Werner Salzmann erbittet verschiedene Auskünfte vom Bundesrat

Waffen sind Instrumente, die Gewaltverübung erleichtern. Deshalb ist gerade in Zeiten erhöhter Gewaltbereitschaft ein Waffengesetz nötig, das seinen Beitrag zur Gewaltprävention leistet. In einer Interpellation erbat Ständerat Werner Salzmann den Bundesrat um verschiedene Auskünfte betreffend Sicherheit und das Waffengesetz:

  1. Vor gut zwei Jahren trat eine Verschärfung des Waffengesetzes in Kraft. Gemäss Bundesrat sollte mit dieser Verschärfung der Schutz der Bevölkerung vor kriminellem Waffenmissbrauch erhöht werden. Bislang veröffentlichte der Bundesrat keine Informationen darüber, ob diese erhöhte Schutzwirkung erreicht worden ist oder nicht.
  2. Das Schweizer Waffengesetz ist durch die Schengen-Verträge von den Entwicklungen der EU-Waffenrichtlinie betroffen. In der Vergangenheit hat die EU sicherheitspolitisch gesehen unsinnige Veränderungen ihrer Richtlinien beschlossen: zum Beispiel die Einschränkung des Rechts auf Legalwaffenbesitz als Reaktion auf Terroranschläge, die mit illegal erworbenen Waffen verübt wurden. Bislang hat sich der Bundesrat nicht dazu geäussert, wie er verfahren will, wenn die EU weitere derartige Änderungen beschliesst 
  3. Die Schweizerische Kriminalprävention rät potentiellen Gewaltopfern kategorisch ab, sich mit Waffen gegen Gewaltdelikte zu wehren: Dies sei gefährlicher für das Opfer als für den Täter. Das ist nicht nur kontraintuitiv (weswegen sollen Instrumente, die in Täterhand gefährlich sind für das Opfer, in Opferhand nicht gefährlich sein für den Täter?), sondern widerspricht auch zahlreichen wissenschaftlichen Studien. Dementsprechend ist unklar, wie zielführend der Ratschlag der SKP tatsächlich ist. 

Mehr Klarheit und weniger Schwurbelei, wenn es um die wichtigen Fragen der Gewaltbekämpfung und der Gewaltprävention geht – genau dies ist eines der Hauptziele von piusicur. Dank politischen Demarchen wie den Interpellationen von Nationalrätin Umbricht Pieren und Ständerat Salzmann kann es erreicht werden.